Wegtext
Törbel bis Oberaaralpe
Erster
Tag 1.8.1999
Letzter
Gruss dem Archivar Roman Wyss von Törbel, Abstieg
neben dem Friedhof des Dorfes, wo Fuchs und Häsin
sich begrüssen der Form halber. Der ehemalige Weg,
ehemals als Abstieg begangen, allerdings noch ohne
Tiere. Heute der ausgezeichnete Wanderweg von Törbel
nach Stalden. Es scheint ein Prozessionsweg zu sein.
Eine Busskapelle für Gesundheit und Busse am Weg des
steilen Abstiegs, der einem Säumerweg gleicht. Die
Friedenstaube erinnert an ein Poulet mit prallem Hintern
und Oberschenkeln. Auf dem Weg kämen auch die Sammlerinnen
zum Genuss, Hundertschaften von Weinbergschnecken,
Sanddorn weiblich und männlich zur Freude der Anthros.
Steilster Abstieg und erste Diskussionen über die
Härte und Dauer des Weges und die Leistung der Hirten.
Otto ist im Geiste mit uns, das freut uns. Die Begegnung
mit Pius am Sonntagabend war auch sehr beeindruckend.
Die Horizontlinie scheint auch für Pius zu stimmen.
Wir erreichen die Abzweigung wegen des Rutsches, den
Gottlieb gestern noch erwähnte. Dies wird (mit schweizerisch
genauer Beschilderung) nun umgangen auf einem anderen
Weg. Bei der Abzweigung nach Törbel hat sich jemand
vertan mit Schnitzschnitz. Doch wenigstens ist der
Zugang nach Törbel allen klar. Wir sind in der Zivilisation
von 1999, es werden zwei Katzen gassi geführt.
Stalden, das Dorf mit der KonsuMigrosBäckerei, die
Fusionen greifen wirklich bis in die letzten Täler
und treiben besondere Blüten. Erstaugust-Weggen erinnern
in mir eher Examensabschlüsse, trotzdem sind wir froh,
dass wir schon am Sonntag morgen nach den ersten zwei
Stunden etwas bekommen in einer Bäckerei. Stalden
liegt schon 700m tiefer, es war ein gewaltig steiler
Abgang. Durch ein Loch und nach der Überquerung einer
Tartanbahn gelangen wir ins Zentrum des
Dorfes Stalden, hier nahmen die Hirten die Rinder
und Schafe in Empfang. Auch haben wir gestern noch
gelernt: Wenn der Rosschumme frei ist,
kann der Alpgang beginnen, die Höhe ist etwa entsprechend
der Situation am Oberaar und dem Übergang an der Triebtenseelicke.
Wahrscheinlich war der Chumme nicht immer frei, wir
sind ja 1,5 Monate später unterwegs.
Wir gehen neben der Hauptstrasse .Angegliedert ist
ein Wanderweg. Die Lonza wird immer präsenter. Treffen
am Weg eine alte Bauxitabbaustelle, sie ist jedoch
verlassen. Sammeln der verschiedenen Sinterungen,
sie haben verschiedene Farben und wirken wie etwas
giftig, scheint nicht sehr hartes Gestein
zu sein. Heute ist dieser Weg ein ehemaliger Planetenweg,
er wird bis Visp gehen. Was macht man nicht alles
für die Bewegung und für die Wanderungen, den Erlebnistourismus.
Wir haben also den Planetenweg als Wegmarken und Otto
erzählte uns, dass er Zeichen hatte, wie Grenzsteine
und anderers und er so immer genau wusste wie weit
sie waren. Wir sind gespannt, ob wir den Kilometer-40-Stein
finden werden.
Diskussionen über die Veränderung des Tales und die
doch gebliebene Abgeschiedenheit von Törbel. Was sehen
wir: eine ganz private Sonntagsidylle, art brut oder
die Freizeitbeschäftigungsgesellschaft. Allerdings
amüsieren wir uns auch über den automatischen Angler
und die weiteren Gebimmelsituationen. Ankunft in Visp,
der Planetenweg ist am Schluss etwas verkommen, er
scheint sich auch zu überleben. Wie so vieles andere.
Ankunft in Visp, am Spital vorbei durch den alten
Teil des Städtleins. Inzwischen ist es Mittag, wir
sind nun schon sechs Stunden unterwegs, am Bahnhof
verköstigen wir uns ziemlich gittig und
wollen ein wenig ausscheren bis Bitsch und den Regionalzug
nehmen. Unglaublich diese Züge, ein Schrei, und wir
rasen in die Unterführung, steigen fast in den fahrenden
Zug, nichtsdestotrotz kehren wir wieder um von Brig
nach Visp und wieder zurück, wir haben eine Jacke
vergessen, das unglaubliche ist, dass wir trotzdem
nicht eine Minute Zeitverlust haben. Es fahren hier
Züge wie lätz hin und her.
Die Städte Brig/Naters sind beim Ausstieg in Bitsch
immer noch wahrnehmbar, es beginnen auch die Schweizerhüsi,
das Verständnis von Bauen in der Gegenwart mit einem
extremen Verständnis von Nostalgie und Gemütlichkeit.
Eigentlich wollen wir so nah als möglich die ehemalige
Route nehmen, doch im Moment ist uns dies verunmöglicht,
die Strasse ist überhäuft mit Autos, und wir könnten
nicht alles auf den Betonstrassen gehen, dies würden
unsere Füsse nicht zulassen. So entschliessen wir
uns zur nationalen Wanderroute und werden wenn möglich
wieder abzweigen. Erste Diskussionen über die 39km
des heutigen Tages, dies hätten wir nicht geschafft.
Die Hirten sind um 02h morgens gestartet und hatten
ab Stalden die Tiere dabei. Die Leistung können wir
erst jetzt richtig einschätzen. Philemon zum Beispiel
war ja erst zehn Jahre alt, als er Zuhirt war. Wir
diskutieren, dass Kinder und Erwachsene heute dies
nicht mehr schaffen würden, wir scheinen uns in eine
andere Richtung zu entwickeln. Unterwegs treffen wir
eine alte Art des Rebbaus an, vor einem grösseren
Felsen ist die Rebe so plaziert, dass sie gesonnt
wird direkt und indirekt durch den Stein. Die Rebe
ist sehr alt. Wir sehen auch neue Tiere, wie einen
Minipfau, er macht gerade ein Rad, natürlich ist der
Durchmesser eher bescheiden, doch wenigstens scheint
er sich doch schön und wichtig zu finden. Eine Kirche,
fast nicht erreichbar, da zwar nicht abgerissen und
doch einfach quasi am Endstreifen der Hauptstrasse.
Eigentlich wollten wir schnell hinein, um die Friedenstaube
zu überprüfen. Doch wir geben den Geist auf, weil
es gemeingefährlich ist und fotografieren es nur.
Gestern noch erzählte uns Pius, dass sie nur alle
halbe Stunde ein Auto hatten und so mit den Tieren
gut die Strasse entlang gehen konnten. So ist es heute
nicht, wir zählen in der Minute 15- 20 Autos. Ein
Verlad der Tiere für die Sömmerung wäre unumgänglich.
Verzweifelte Suche nach eine Abzweigung, wir haben
für dieses Stück keine entsprechende Karte und haben
uns zu sehr auf die sprichwörtliche Anschriftsfreudigkeit
der Schweiz verlassen. Fragen ist das Beste und wir
können wieder etwas abzweigen, ohne auf der zu stark
befahrenen Strecke gehen zu müssen. Wir müssen so
weit von der ehemaligen Route weg, (Mörel / Grengiols),
dass wir sie nur noch über das Hören wahrnehmen. Gelegentlich
sehen wir sie in der Ferne. Es beginnt ein strenger
Aufstieg, das Tal verengt sich und die Höhe steigt.
Beginn der Nutzung der Wasserkraft der Rottu. Es hat
immer noch viel Wasser in der Rottu, und wir sehen
auch öfters noch Veränderungen durch den grossen Schnee
des letzten Winters. Wir sehen eine riesigen Parkplatz
für die Autos für die Bahn für die Bettmeralp. Wenn
wir so gehend sind, finden wir es schrecklich, allerdings
machen wir dies auch und benützen auch das Auto. Es
scheint die neue Mobilität zu sein. Wieder rennen
auf den Zug um den letzten Rest eine Station mit dem
Regionalzug zu machen. Heute ist ja erster August,
doch wir bekommen dies einzig mit durch die vielen
Fahnen, eine Rede, die über Lautsprecher kommt (vom
Gemeindepräsidenten) und von Trachten, die wir von
weitem sehen. Auf der Terrasse ist festlich gedeckt,
doch es herrscht eine schweizerisch ernste und tellerorientierte
Stimmung, um neun ist der Spuk schon fast vorbei.
Lax hat heute abend ohne uns gefestet.
Zweiter Tag, 2. 8.1999
Start wiederum um 6.45h , die Beschilderung ist trotz
fehlender Karte im Moment noch ausreichend. Es ist
Morgen und natürlich wieder Antreffen einer Busskapelle.
Friedenstaube überrascht durch die Form weniger (sie
scheint mehr aktiv zu sein) doch oberhalb der Taube
sehen wir einen Zopf (Sonntagszopf), wahrscheinlich
diente er als Grundform, jetzt soll er eine Wolke
darstellen. Und die Madonnenmalerei, schön dieser
Busen, irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Malerei
ermöglichte, 'innere Gelüste' an die Wand zu bringen.
Später, wie schön - eine Jagdtrophäe, allerdings sind
die guten Zeiten von ihr schon vorbei. Nochmals Gespräch
über unser zu frühes Aufgeben gestern, heute wollen
wir dies unbedingt vermeiden und den ganzen Weg gehen.
Fiesch ist eindeutig ein Feriendorf für den Winter
mit Ferienhüsis mit allem Drum und Dran. Heile Welt
lässt grüssen. Nach Fiesch treffen wir auf Auszeichnungen
'der Stolz des Bauern'. In Törbel erfuhren wir, dass
beim Abgang von der Alp wieder nach Törbel keine schmucken
Tiere zurückkamen, kein Blumenkranz oder so, es war
alles sehr karg und sehr arm. Dies kann allerdings
auch sein, weil es keine Kuhwirtschaft war. Dies wäre
noch zu recherchieren. Wieder an der Rotte gibt es
neue Bebauungen für eine bessere Zufahrt bis Oberwald.
Uns ist unklar, wo wir weiter gehen sollen und fragen
einen Mann vom Dorf, wir müssen ziemlich schlängeln,
er rät uns, unbedingt im Moment von der Strasse abzusehen.
Treffen wieder ein Wasserkraftwerk an, Turbine und
Aktion/Reaktion des Wassers sind gut beobachtbar.
Unsere Gehhorizonte sind sehr verschieden, Gut ausgebaut,
Feldwege, Steinwege etc. Zunehmen der Ferienhäuser,
allerdings sind viele verlassen, eher für den Winter,
es wirkt fatal. Diskussion über das Erreichen von
Obergesteln, es sind noch 7 Stunden Gehweg, und wir
sind schon 3,5 Stunden unterwegs, wir dürfen oder
sollten nicht so viele Halte machen, allerdings müssen
wir auch an unsere Wegsicherungen denken. Der Aufstieg
nach Ernen ist happig, das Dorf hat den Wackerpreis
erhalten, mir ist es fast etwas zu Disneylandig. Doch
es ist alles gut erhalten und auch perfekt renoviert.
Die Scheunen und Häuser sind sehr symmetrisch angelegt,
eine Wohltat für das Auge, es scheint auch eine Funktion
zu haben, die Zugänge könnten zwei Familien gehört
haben, erleichtert den Unterhalt, doch die Besitzverhältnisse
wären klar. Oder es war wegen der verschiedenen Trocknungen.
Ernen hat eine riesige Kirche mit viel Pomp und Gold,
der Grund ist für uns nicht ersichtlich, Geld spielt
keine Rolle? Kümmern aber uns nicht weiter darum.
Die Aussicht von hier ist gewaltig und der Lindenbaum
sehr alt, wir erholen uns etwas und sehen uns die
Kirche etwas genauer an. Weiter gehen, gehen, gehen.
Die Freizeitgesellschaft grüsst uns auf dem Weg, im
Cowboy Look reiten zwei Frauen an uns vorbei, der
Texanerhut fehlt auch nicht. Obergesteln immer noch
sehr weit weg. Wir treffen alte Wasserleitungen aus
Holz an, überirdisch gelegt doch nicht mehr in Betrieb.
Die Landschaft erscheint uns auch zu idyllisch, im
Moment sind wir ziemlich weit entfernt von der ehemaligen
Strasse, doch uns ist nichts anderes übrig geblieben.
Die Gehwege sollten uns nicht verleiten, allzu weit
weg von der Route zu gehen. Aufgrund unserer Ermüdungen
sprechen wir wieder von den Hirten, eigentlich hatten
sie uns vom zweiten Tag nichts über die Härte gesagt,
dies scheint für sie normal gewesen zu sein. Beim
Abgang zur Rotte und an der Rotte sehen wir viele
Schäden und gewaltige Landschaftsveränderungen durch
die Lawinen. Es hat unter dem Schutt immer noch viel
Schnee. Wir sehen eine Landschaft, die sich ständig
auch ohne Strassen und Verbauungen enorm und unwiederbringlich
verändert. Dies ist im Gehen viel mehr und intensiver
wahrnehmbar. Wir kommen auf die Frage, warum die Rückkehr
immer am 8. September war. Es hat nichts mit dem Wetter
und der Beobachtung zu tun wie im Frühsommer, sondern
muss in einem anderen Zusammenhang stehen. Wir sehen
erstmals eine Steinumzäumung, die ähnlich den Pferchen
von Obergesteln sein müssen, sie sind auch am Verfallen,
vielleicht werden wir den von Obergesten finden. Die
Angaben der Hirten sind genau, und der Wirt vom Hotel
hat mir gesagt, er wisse, wo es gewesen ist. Wieder
Wasserkraft an der Rotte, und ganz nah an der ehemaligen
Route gehen wir jetzt. Wir gehen und gehen, die km
scheinen sich ins Unendliche zu ziehen. Was uns auch
auffällt, wir haben immer länger als angegeben ist
an den Schildern, etwa + 30% länger, wir hoffen sehr
heute noch anzukommen. Die KWO (Kraftwerke Oberhasli)
sind eruierbar durch das Verlegen der Röhren, es sind
die gleichen wie am Grimsel bis Guttannen und weiter,
es sieht so aus, als würden sie alle ersetzen und
frisch schweissen. Vorbei an einem kleinen Flugplatz
und Zeltplätzen und vielen Velos, sie kommen uns allerdings
alle entgegen. Sie fahren das Tal abwärts, die Auszeichnung
gehört auch zur schweizerischen Veloroute. Noch 45
Minuten bis Obergesteln. Wir werden hingewiesen auf
die Madonna zum Loch. Später lesen wir,
dass dies die Busskapelle der alten Säumer über die
Grimsel war. Der ehemalige Weg ging von Italien bis
in das Berner Oberland, ein Teil davon war der Weg,
den wir morgen begehen werden. In Spitzenzeiten waren
bis zu 200 Säumer in der Sommerzeit täglich unterwegs.
Um 18.00 Ankunft in Obergesteln, 30 km, das Dorf ist
anders strukturiert als die anderen Obergomser Dörfer.
Es ist abgebrannt und durch italienische Erbauer orthogonal
angelegt. Die Scheunen sind nicht neben den Häusern
sondern zusammen an einer Strasse. Heute werden sie
als Ferienhäuser wieder umfunktioniert. Der Eindruck
des Dorfes ist wirklich etwas südlich.
Abends Gespräch mit dem Wirt über den Pferch. Er ist
durch den letzten Winter nur noch fragmentarisch erhalten.
Leider ist ein alter Mann kürzlich gestorben, er hat
die Hirten und die Umstände der Sömmerung und des
Alpganges gut gekannt. Der Wirt schaut uns auch etwas
kritisch an wegen unseren Vorhabens, morgen über die
Triebtenseelicke an den Oberaar zu gelangen, das Wetter
ist nicht so gut vorausgesagt. Nun wir werden sehen!
Dritter Tag 3.8.1999
Start
zu dem Tag, von dem alle Hirten am meisten erzählen.
Hart, Schnee und Eis, die Tiere und ihre Ermüdung.
Gottlieb und Otto trauen uns dies nicht so richtig
zu. Nur, dass jetzt die Zeit viel später ist und wir
eigentlich nicht mehr viel Schnee erwarten. Am Oberaar
hat es ja nur noch auf dem kleinen Moor etwas Schnee.
Start um 6.45h, lieber früh gehen, wir wissen nicht,
was wir alles antreffen werden. Bald erreichen wir
den Pferch, er ist in einem Kegel von Schutt und untertunnelt.
Letzten Winter ging hier eine Lawine herunter, und
es hat diesen Landschaftsausschnitt völlig verändert.
Wir finden trotzdem den Anfang des Aufstieges gut,
vor allem, weil hier auch der Weg dem ehemaligen Weg
des alten Säumerweges entspricht. Wir sehen unterwegs
einen Bauer, der seine Kuh vor Ort melkt, dies wirkt
sehr idyllisch, aus meinen Zuhirtzeiten weiss ich,
dass dies gar nicht so einfach ist. Die Steine sind
richtig gerundet von den vielen Begehungen und auch
gut angelegt, so dass wir schnell und angenehm steigen.
Der Weg ist so breit, dass sicher mit Mauleseln und
Eseln und Gepäck der Gang gut war. Auch mit den 300
Tieren der Hirten war dieser Weg noch einigermassen
sicher. Wir wissen allerdings, dass wir abzweigen
zur Licke und werden uns mit dem Plan dies gut überlegen
müssen, wann wir die Querung vornehmen werden. Nach
dem Nassboden müssen wir gut schauen. Auffällig sind
die vielen Bäche und Tränkmöglichkeiten am Anfang
des Aufstieges. Mir ist ein wenig schleierhaft, wie
sie die Schafe gut vorwärts brachten, es hat viele
gute Gräser im Umfeld, und sie scheren ja auch gerne
aus, das Zusammenhalten ist mir ein grosses Fragezeichen.
Auch wissen wir nicht, ob die Schafe separiert wurden
oder ob sie einfach mit allen zusammen den Aufstieg
machten. Durch die Nässe des Bodens wachsen viele
Urgewächse wie Pilze und die verschiedensten Moose
und weitere Gewächse. Was mich fasziniert, ist das
Schwarz und die daraus wachsenden Fäden aus hellgrün
und hellgelb. Zeichen des Wachstums und eines kurzen
Sommers zum Wachsen und Blühen der Gewächse. Wir vermessen
alle hundert Meter die Höhe, machen Fotos und sammeln
Wegstücke. Dies verlangsamt unser Vorwärtskommen enorm,
doch wir merken auch, wie wir steigen und steigen.
Der Bannwald ist aus Birken, die noch nicht so lange
gepflanzt wurden. Ist dies ein Versuch oder ist dies
hier im Goms üblich? Die Stämme sind noch sehr dünn
und ragen gegen den Hang, was die Abschüssigkeit des
Geländes noch betont. Alte Lärchen säumen vereinzelt
unseren Weg, die Witterungen und die Sommer und Winter
hinterliessen bei ihnen die eigenartigsten Formen
und Windungen. Wir sehen eine ehemalige Hütte, ein
Unterstand? Es ist nur noch fast der Holztorbogen
vorhanden mit seinen diversen Einritzungen, Zeichen
mit den verschiedenen Bedeutungen. Erreichen der Baumgrenze
stimmt mit der Theorie überein. Wald und Bäume erleben
wir als nicht mehr ganz intakt, allerdings mehr vom
Anschauen als von etwas Messbaren. Der Säumerweg ist
auch hier noch gut erhalten, hier soll ja auch ein
Teil des alten Walser- und Römerweges sein. Wie und
wo, wissen wir nicht genau. Der Weg ist heute touristisch
genutzt, wir treffen allerdings nur Wenige, eine kleine
Gruppe Mountainbiker, die an uns vorbeikeuchen und
für das Wetter etwas leicht bekleidet sind. Die Witterung
ist für uns ideal, nicht zu heiss, doch kein Regen
oder so. Wir kommen auf eine kleine Ebene, die aussieht
wie ein Steingarten mit eigenartigen Formationen.
Wir beginnen mit Vermessungen mit den Richtungen und
finden einen Stein, der genau Ost/West und Süd/Nord
liegt, die Spitze zeigt genau gegenüber auf eine Spitze.
Ein Visurstein, wir messen und messen weiter auch
in Zusammenhang mit den unteren Steinen. Wieder ein
Gespräch über den Aufstieg, mir ist nicht ganz klar,
wie die Rinder den doch jetzt eher schon schwierigeren
Weg gegangen haben. Natürlich sind die Tiere 'berggängiger'
gewesen, doch ich weiss auch, wie schwer sie anzutreiben
sind, wenn sie etwas nicht wollen oder Angst haben.
Der Steingarten im Verlauf des Gehens lässt uns fast
nicht mehr los, war dieser Stein eine Möglichkeit
der Ortung auf dem Weg? Die Hirten haben uns von dieser
Zone nichts erzählt, wahrscheinlich für sie selbstverständlich.
Vielleicht ist dieser Bezug für uns heute wieder wichtiger
und eher Zeitgeist, wir wissen es nicht. Es ist bald
Mittag, und wir erreichen eine verlassene Alp, die
Hütte ist zugesperrt, es sieht so aus, als ob sie
nach einem Sommer einfach verlassen und dann nicht
mehr in Betrieb genommen wurde. Wir lesen einen Hinweis,
dass etwas geflickt werden sollte für das nächste
Mal, dies ist vorbei! Wir sind am unteren Ende des
Nassbodens, der seinem Namen mehr als gerecht wird.
Es ist sehr schwammig, überall quillt Wasser. Wir
müssen nun abzweigen und in Richtung Jostsee und Licke
gehen. Den Säumerweg werden wir nun verlassen. Die
Wegmarken sind ausgezeichnet, doch trotzdem müssen
wir gut mit der Karte schauen. Wir entschliessen uns,
bis zum Jostsee zu gehen und ihn anzuschauen, diesen
kleinen Umweg werden wir noch machen. Wir treffen
zuerst einen ganz kleinen See, den wir vorerst verwechseln.
Claudio erforscht die Gegend, und weiter oben ist
dann wirklich der Jostsee, wir nehmen spontan ein
Bad auf 2400m Höhe. Nun sind wir bereit für den Übergang,
es wird so langsam felsig, und von unten können wir
uns die Durchgänge und den Aufstieg noch nicht vorstellen.
Doch wenn man drin ist, geht es irgendwie weiter.
Wie haben sie nur die Tiere angetrieben und über diese
Passage gebracht? Es hatte sicher hier noch Schnee,
denn weiter oben sehen wir auch jetzt noch welchen.
Gut, sind die Wegmarken gut sichtbar, der Plan und
die Erzählungen hätten uns hier nicht mehr weitergeholfen.
Den Hirten muss der Weg zwischen den Felsen zur Licke
so selbstverständlich gewesen sein, dass sie uns keine
Hinweise dazu gegeben haben. Unser Zeitfaktor läuft
und läuft, es ist schon 14.ooh, und wir sind noch
nicht oben. Einen Tag, Philemon erzählte uns ja, wie
er erschöpft über den Bärg ging. Endlich
naht die Licke, und wir gehen noch über wenig Schnee,
es ist betörend schön und sehr steinig. Der Abstieg
beginnt, er ist sehr steil und abschüssig. Wie immer
ist es schwieriger hinunter. Für Tiere ist es ja noch
schwieriger und gefährlicher wegen des Abrutschens,
vor allem für die Rinder. Nach und nach sehen wir
auch Wanderinnen. Wir werden stiller, wegen des Abstiegs
und auch wegen der Müdigkeit, die sich immer mehr
anschleicht und breit macht. Wir sehen den Oberaar
und mit etwas Phantasie auch das Glas von Philemon.
Wir haben ihn in der Visur gut gesetzt, der Horizont
zeigt genau auf die Triebtenseelicke und ist ja aus
den Erzählungen von ihm sehr wichtig. Die Steine sind
Quarz-durchsetzt, wir sehen auch Eingriffe von Strahlern
oder Möchtegernstrahlern. Es verändert das Umfeld
eigentlich auch sehr. Der Weg wird breiter und wir
steigen zur ehemaligen Oberaaralpe ab.
Lieber
Otto, lieber Philemon, lieber Gottlieb, lieber Pius,
Wir danken Euch für Eure Erzählungen, Eure Offenheit
und die Mithilfe für die Arbeit 'Sömmerung 99'. Den
Einblick in Eure Arbeit als Hirten auf der ehemaligen
Oberaaralpe hat uns viel gelehrt und war für uns eine
gute und grosse Herausforderung. Wir sind froh, Euch
kennengelernt zu haben.
Im
August 1999
Ursula Bohren Magoni
Claudio Magoni
Rosmarie Vögtli-Bossart |