aktion alpgang

Wegtext Törbel bis Oberaaralpe

Erster Tag 1.8.1999

Letzter Gruss dem Archivar Roman Wyss von Törbel, Abstieg neben dem Friedhof des Dorfes, wo Fuchs und Häsin sich begrüssen der Form halber. Der ehemalige Weg, ehemals als Abstieg begangen, allerdings noch ohne Tiere. Heute der ausgezeichnete Wanderweg von Törbel nach Stalden. Es scheint ein Prozessionsweg zu sein. Eine Busskapelle für Gesundheit und Busse am Weg des steilen Abstiegs, der einem Säumerweg gleicht. Die Friedenstaube erinnert an ein Poulet mit prallem Hintern und Oberschenkeln. Auf dem Weg kämen auch die Sammlerinnen zum Genuss, Hundertschaften von Weinbergschnecken, Sanddorn weiblich und männlich zur Freude der Anthros. Steilster Abstieg und erste Diskussionen über die Härte und Dauer des Weges und die Leistung der Hirten. Otto ist im Geiste mit uns, das freut uns. Die Begegnung mit Pius am Sonntagabend war auch sehr beeindruckend. Die Horizontlinie scheint auch für Pius zu stimmen. Wir erreichen die Abzweigung wegen des Rutsches, den Gottlieb gestern noch erwähnte. Dies wird (mit schweizerisch genauer Beschilderung) nun umgangen auf einem anderen Weg. Bei der Abzweigung nach Törbel hat sich jemand vertan mit Schnitzschnitz. Doch wenigstens ist der Zugang nach Törbel allen klar. Wir sind in der Zivilisation von 1999, es werden zwei Katzen gassi geführt.
Stalden, das Dorf mit der KonsuMigrosBäckerei, die Fusionen greifen wirklich bis in die letzten Täler und treiben besondere Blüten. Erstaugust-Weggen erinnern in mir eher Examensabschlüsse, trotzdem sind wir froh, dass wir schon am Sonntag morgen nach den ersten zwei Stunden etwas bekommen in einer Bäckerei. Stalden liegt schon 700m tiefer, es war ein gewaltig steiler Abgang. Durch ein Loch und nach der Überquerung einer ‘Tartanbahn‘ gelangen wir ins Zentrum des Dorfes Stalden, hier nahmen die Hirten die Rinder und Schafe in Empfang. Auch haben wir gestern noch gelernt: Wenn der ‘Rosschumme‘ frei ist, kann der Alpgang beginnen, die Höhe ist etwa entsprechend der Situation am Oberaar und dem Übergang an der Triebtenseelicke. Wahrscheinlich war der Chumme nicht immer frei, wir sind ja 1,5 Monate später unterwegs.
Wir gehen neben der Hauptstrasse .Angegliedert ist ein Wanderweg. Die Lonza wird immer präsenter. Treffen am Weg eine alte Bauxitabbaustelle, sie ist jedoch verlassen. Sammeln der verschiedenen Sinterungen, sie haben verschiedene Farben und wirken wie etwas ‘giftig‘, scheint nicht sehr hartes Gestein zu sein. Heute ist dieser Weg ein ehemaliger Planetenweg, er wird bis Visp gehen. Was macht man nicht alles für die Bewegung und für die Wanderungen, den Erlebnistourismus. Wir haben also den Planetenweg als Wegmarken und Otto erzählte uns, dass er Zeichen hatte, wie Grenzsteine und anderers und er so immer genau wusste wie weit sie waren. Wir sind gespannt, ob wir den Kilometer-40-Stein finden werden.
Diskussionen über die Veränderung des Tales und die doch gebliebene Abgeschiedenheit von Törbel. Was sehen wir: eine ganz private Sonntagsidylle, art brut oder die Freizeitbeschäftigungsgesellschaft. Allerdings amüsieren wir uns auch über den automatischen Angler und die weiteren Gebimmelsituationen. Ankunft in Visp, der Planetenweg ist am Schluss etwas verkommen, er scheint sich auch zu überleben. Wie so vieles andere.
Ankunft in Visp, am Spital vorbei durch den alten Teil des Städtleins. Inzwischen ist es Mittag, wir sind nun schon sechs Stunden unterwegs, am Bahnhof verköstigen wir uns ziemlich ‘gittig‘ und wollen ein wenig ausscheren bis Bitsch und den Regionalzug nehmen. Unglaublich diese Züge, ein Schrei, und wir rasen in die Unterführung, steigen fast in den fahrenden Zug, nichtsdestotrotz kehren wir wieder um von Brig nach Visp und wieder zurück, wir haben eine Jacke vergessen, das unglaubliche ist, dass wir trotzdem nicht eine Minute Zeitverlust haben. Es fahren hier Züge wie lätz hin und her.
Die Städte Brig/Naters sind beim Ausstieg in Bitsch immer noch wahrnehmbar, es beginnen auch die ‘Schweizerhüsi‘, das Verständnis von Bauen in der Gegenwart mit einem extremen Verständnis von Nostalgie und Gemütlichkeit. Eigentlich wollen wir so nah als möglich die ehemalige Route nehmen, doch im Moment ist uns dies verunmöglicht, die Strasse ist überhäuft mit Autos, und wir könnten nicht alles auf den Betonstrassen gehen, dies würden unsere Füsse nicht zulassen. So entschliessen wir uns zur nationalen Wanderroute und werden wenn möglich wieder abzweigen. Erste Diskussionen über die 39km des heutigen Tages, dies hätten wir nicht geschafft. Die Hirten sind um 02h morgens gestartet und hatten ab Stalden die Tiere dabei. Die Leistung können wir erst jetzt richtig einschätzen. Philemon zum Beispiel war ja erst zehn Jahre alt, als er Zuhirt war. Wir diskutieren, dass Kinder und Erwachsene heute dies nicht mehr schaffen würden, wir scheinen uns in eine andere Richtung zu entwickeln. Unterwegs treffen wir eine alte Art des Rebbaus an, vor einem grösseren Felsen ist die Rebe so plaziert, dass sie gesonnt wird direkt und indirekt durch den Stein. Die Rebe ist sehr alt. Wir sehen auch neue Tiere, wie einen Minipfau, er macht gerade ein Rad, natürlich ist der Durchmesser eher bescheiden, doch wenigstens scheint er sich doch schön und wichtig zu finden. Eine Kirche, fast nicht erreichbar, da zwar nicht abgerissen und doch einfach quasi am Endstreifen der Hauptstrasse. Eigentlich wollten wir schnell hinein, um die Friedenstaube zu überprüfen. Doch wir geben den Geist auf, weil es gemeingefährlich ist und fotografieren es nur. Gestern noch erzählte uns Pius, dass sie nur alle halbe Stunde ein Auto hatten und so mit den Tieren gut die Strasse entlang gehen konnten. So ist es heute nicht, wir zählen in der Minute 15- 20 Autos. Ein Verlad der Tiere für die Sömmerung wäre unumgänglich. Verzweifelte Suche nach eine Abzweigung, wir haben für dieses Stück keine entsprechende Karte und haben uns zu sehr auf die sprichwörtliche Anschriftsfreudigkeit der Schweiz verlassen. Fragen ist das Beste und wir können wieder etwas abzweigen, ohne auf der zu stark befahrenen Strecke gehen zu müssen. Wir müssen so weit von der ehemaligen Route weg, (Mörel / Grengiols), dass wir sie nur noch über das Hören wahrnehmen. Gelegentlich sehen wir sie in der Ferne. Es beginnt ein strenger Aufstieg, das Tal verengt sich und die Höhe steigt. Beginn der Nutzung der Wasserkraft der Rottu. Es hat immer noch viel Wasser in der Rottu, und wir sehen auch öfters noch Veränderungen durch den grossen Schnee des letzten Winters. Wir sehen eine riesigen Parkplatz für die Autos für die Bahn für die Bettmeralp. Wenn wir so gehend sind, finden wir es schrecklich, allerdings machen wir dies auch und benützen auch das Auto. Es scheint die neue Mobilität zu sein. Wieder rennen auf den Zug um den letzten Rest eine Station mit dem Regionalzug zu machen. Heute ist ja erster August, doch wir bekommen dies einzig mit durch die vielen Fahnen, eine Rede, die über Lautsprecher kommt (vom Gemeindepräsidenten) und von Trachten, die wir von weitem sehen. Auf der Terrasse ist festlich gedeckt, doch es herrscht eine schweizerisch ernste und tellerorientierte Stimmung, um neun ist der Spuk schon fast vorbei. Lax hat heute abend ohne uns gefestet.


Zweiter Tag, 2. 8.1999

Start wiederum um 6.45h , die Beschilderung ist trotz fehlender Karte im Moment noch ausreichend. Es ist Morgen und natürlich wieder Antreffen einer Busskapelle. Friedenstaube überrascht durch die Form weniger (sie scheint mehr aktiv zu sein) doch oberhalb der Taube sehen wir einen Zopf (Sonntagszopf), wahrscheinlich diente er als Grundform, jetzt soll er eine Wolke darstellen. Und die Madonnenmalerei, schön dieser Busen, irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Malerei ermöglichte, 'innere Gelüste' an die Wand zu bringen. Später, wie schön - eine Jagdtrophäe, allerdings sind die guten Zeiten von ihr schon vorbei. Nochmals Gespräch über unser zu frühes Aufgeben gestern, heute wollen wir dies unbedingt vermeiden und den ganzen Weg gehen. Fiesch ist eindeutig ein Feriendorf für den Winter mit Ferienhüsis mit allem Drum und Dran. Heile Welt lässt grüssen. Nach Fiesch treffen wir auf Auszeichnungen 'der Stolz des Bauern'. In Törbel erfuhren wir, dass beim Abgang von der Alp wieder nach Törbel keine schmucken Tiere zurückkamen, kein Blumenkranz oder so, es war alles sehr karg und sehr arm. Dies kann allerdings auch sein, weil es keine Kuhwirtschaft war. Dies wäre noch zu recherchieren. Wieder an der Rotte gibt es neue Bebauungen für eine bessere Zufahrt bis Oberwald. Uns ist unklar, wo wir weiter gehen sollen und fragen einen Mann vom Dorf, wir müssen ziemlich schlängeln, er rät uns, unbedingt im Moment von der Strasse abzusehen. Treffen wieder ein Wasserkraftwerk an, Turbine und Aktion/Reaktion des Wassers sind gut beobachtbar. Unsere Gehhorizonte sind sehr verschieden, Gut ausgebaut, Feldwege, Steinwege etc. Zunehmen der Ferienhäuser, allerdings sind viele verlassen, eher für den Winter, es wirkt fatal. Diskussion über das Erreichen von Obergesteln, es sind noch 7 Stunden Gehweg, und wir sind schon 3,5 Stunden unterwegs, wir dürfen oder sollten nicht so viele Halte machen, allerdings müssen wir auch an unsere Wegsicherungen denken. Der Aufstieg nach Ernen ist happig, das Dorf hat den Wackerpreis erhalten, mir ist es fast etwas zu Disneylandig. Doch es ist alles gut erhalten und auch perfekt renoviert. Die Scheunen und Häuser sind sehr symmetrisch angelegt, eine Wohltat für das Auge, es scheint auch eine Funktion zu haben, die Zugänge könnten zwei Familien gehört haben, erleichtert den Unterhalt, doch die Besitzverhältnisse wären klar. Oder es war wegen der verschiedenen Trocknungen. Ernen hat eine riesige Kirche mit viel Pomp und Gold, der Grund ist für uns nicht ersichtlich, Geld spielt keine Rolle? Kümmern aber uns nicht weiter darum. Die Aussicht von hier ist gewaltig und der Lindenbaum sehr alt, wir erholen uns etwas und sehen uns die Kirche etwas genauer an. Weiter gehen, gehen, gehen. Die Freizeitgesellschaft grüsst uns auf dem Weg, im Cowboy Look reiten zwei Frauen an uns vorbei, der Texanerhut fehlt auch nicht. Obergesteln immer noch sehr weit weg. Wir treffen alte Wasserleitungen aus Holz an, überirdisch gelegt doch nicht mehr in Betrieb. Die Landschaft erscheint uns auch zu idyllisch, im Moment sind wir ziemlich weit entfernt von der ehemaligen Strasse, doch uns ist nichts anderes übrig geblieben. Die Gehwege sollten uns nicht verleiten, allzu weit weg von der Route zu gehen. Aufgrund unserer Ermüdungen sprechen wir wieder von den Hirten, eigentlich hatten sie uns vom zweiten Tag nichts über die Härte gesagt, dies scheint für sie normal gewesen zu sein. Beim Abgang zur Rotte und an der Rotte sehen wir viele Schäden und gewaltige Landschaftsveränderungen durch die Lawinen. Es hat unter dem Schutt immer noch viel Schnee. Wir sehen eine Landschaft, die sich ständig auch ohne Strassen und Verbauungen enorm und unwiederbringlich verändert. Dies ist im Gehen viel mehr und intensiver wahrnehmbar. Wir kommen auf die Frage, warum die Rückkehr immer am 8. September war. Es hat nichts mit dem Wetter und der Beobachtung zu tun wie im Frühsommer, sondern muss in einem anderen Zusammenhang stehen. Wir sehen erstmals eine Steinumzäumung, die ähnlich den Pferchen von Obergesteln sein müssen, sie sind auch am Verfallen, vielleicht werden wir den von Obergesten finden. Die Angaben der Hirten sind genau, und der Wirt vom Hotel hat mir gesagt, er wisse, wo es gewesen ist. Wieder Wasserkraft an der Rotte, und ganz nah an der ehemaligen Route gehen wir jetzt. Wir gehen und gehen, die km scheinen sich ins Unendliche zu ziehen. Was uns auch auffällt, wir haben immer länger als angegeben ist an den Schildern, etwa + 30% länger, wir hoffen sehr heute noch anzukommen. Die KWO (Kraftwerke Oberhasli) sind eruierbar durch das Verlegen der Röhren, es sind die gleichen wie am Grimsel bis Guttannen und weiter, es sieht so aus, als würden sie alle ersetzen und frisch schweissen. Vorbei an einem kleinen Flugplatz und Zeltplätzen und vielen Velos, sie kommen uns allerdings alle entgegen. Sie fahren das Tal abwärts, die Auszeichnung gehört auch zur schweizerischen Veloroute. Noch 45 Minuten bis Obergesteln. Wir werden hingewiesen auf die ‘Madonna zum Loch‘. Später lesen wir, dass dies die Busskapelle der alten Säumer über die Grimsel war. Der ehemalige Weg ging von Italien bis in das Berner Oberland, ein Teil davon war der Weg, den wir morgen begehen werden. In Spitzenzeiten waren bis zu 200 Säumer in der Sommerzeit täglich unterwegs.
Um 18.00 Ankunft in Obergesteln, 30 km, das Dorf ist anders strukturiert als die anderen Obergomser Dörfer. Es ist abgebrannt und durch italienische Erbauer orthogonal angelegt. Die Scheunen sind nicht neben den Häusern sondern zusammen an einer Strasse. Heute werden sie als Ferienhäuser wieder umfunktioniert. Der Eindruck des Dorfes ist wirklich etwas südlich.
Abends Gespräch mit dem Wirt über den Pferch. Er ist durch den letzten Winter nur noch fragmentarisch erhalten. Leider ist ein alter Mann kürzlich gestorben, er hat die Hirten und die Umstände der Sömmerung und des Alpganges gut gekannt. Der Wirt schaut uns auch etwas kritisch an wegen unseren Vorhabens, morgen über die Triebtenseelicke an den Oberaar zu gelangen, das Wetter ist nicht so gut vorausgesagt. Nun wir werden sehen!


Dritter Tag 3.8.1999

Start zu dem Tag, von dem alle Hirten am meisten erzählen. Hart, Schnee und Eis, die Tiere und ihre Ermüdung. Gottlieb und Otto trauen uns dies nicht so richtig zu. Nur, dass jetzt die Zeit viel später ist und wir eigentlich nicht mehr viel Schnee erwarten. Am Oberaar hat es ja nur noch auf dem kleinen Moor etwas Schnee. Start um 6.45h, lieber früh gehen, wir wissen nicht, was wir alles antreffen werden. Bald erreichen wir den Pferch, er ist in einem Kegel von Schutt und untertunnelt. Letzten Winter ging hier eine Lawine herunter, und es hat diesen Landschaftsausschnitt völlig verändert. Wir finden trotzdem den Anfang des Aufstieges gut, vor allem, weil hier auch der Weg dem ehemaligen Weg des alten Säumerweges entspricht. Wir sehen unterwegs einen Bauer, der seine Kuh vor Ort melkt, dies wirkt sehr idyllisch, aus meinen Zuhirtzeiten weiss ich, dass dies gar nicht so einfach ist. Die Steine sind richtig gerundet von den vielen Begehungen und auch gut angelegt, so dass wir schnell und angenehm steigen. Der Weg ist so breit, dass sicher mit Mauleseln und Eseln und Gepäck der Gang gut war. Auch mit den 300 Tieren der Hirten war dieser Weg noch einigermassen sicher. Wir wissen allerdings, dass wir abzweigen zur Licke und werden uns mit dem Plan dies gut überlegen müssen, wann wir die Querung vornehmen werden. Nach dem Nassboden müssen wir gut schauen. Auffällig sind die vielen Bäche und Tränkmöglichkeiten am Anfang des Aufstieges. Mir ist ein wenig schleierhaft, wie sie die Schafe gut vorwärts brachten, es hat viele gute Gräser im Umfeld, und sie scheren ja auch gerne aus, das Zusammenhalten ist mir ein grosses Fragezeichen. Auch wissen wir nicht, ob die Schafe separiert wurden oder ob sie einfach mit allen zusammen den Aufstieg machten. Durch die Nässe des Bodens wachsen viele Urgewächse wie Pilze und die verschiedensten Moose und weitere Gewächse. Was mich fasziniert, ist das Schwarz und die daraus wachsenden Fäden aus hellgrün und hellgelb. Zeichen des Wachstums und eines kurzen Sommers zum Wachsen und Blühen der Gewächse. Wir vermessen alle hundert Meter die Höhe, machen Fotos und sammeln Wegstücke. Dies verlangsamt unser Vorwärtskommen enorm, doch wir merken auch, wie wir steigen und steigen. Der Bannwald ist aus Birken, die noch nicht so lange gepflanzt wurden. Ist dies ein Versuch oder ist dies hier im Goms üblich? Die Stämme sind noch sehr dünn und ragen gegen den Hang, was die Abschüssigkeit des Geländes noch betont. Alte Lärchen säumen vereinzelt unseren Weg, die Witterungen und die Sommer und Winter hinterliessen bei ihnen die eigenartigsten Formen und Windungen. Wir sehen eine ehemalige Hütte, ein Unterstand? Es ist nur noch fast der Holztorbogen vorhanden mit seinen diversen Einritzungen, Zeichen mit den verschiedenen Bedeutungen. Erreichen der Baumgrenze stimmt mit der Theorie überein. Wald und Bäume erleben wir als nicht mehr ganz intakt, allerdings mehr vom Anschauen als von etwas Messbaren. Der Säumerweg ist auch hier noch gut erhalten, hier soll ja auch ein Teil des alten Walser- und Römerweges sein. Wie und wo, wissen wir nicht genau. Der Weg ist heute touristisch genutzt, wir treffen allerdings nur Wenige, eine kleine Gruppe Mountainbiker, die an uns vorbeikeuchen und für das Wetter etwas leicht bekleidet sind. Die Witterung ist für uns ideal, nicht zu heiss, doch kein Regen oder so. Wir kommen auf eine kleine Ebene, die aussieht wie ein Steingarten mit eigenartigen Formationen. Wir beginnen mit Vermessungen mit den Richtungen und finden einen Stein, der genau Ost/West und Süd/Nord liegt, die Spitze zeigt genau gegenüber auf eine Spitze. Ein Visurstein, wir messen und messen weiter auch in Zusammenhang mit den unteren Steinen. Wieder ein Gespräch über den Aufstieg, mir ist nicht ganz klar, wie die Rinder den doch jetzt eher schon schwierigeren Weg gegangen haben. Natürlich sind die Tiere 'berggängiger' gewesen, doch ich weiss auch, wie schwer sie anzutreiben sind, wenn sie etwas nicht wollen oder Angst haben. Der Steingarten im Verlauf des Gehens lässt uns fast nicht mehr los, war dieser Stein eine Möglichkeit der Ortung auf dem Weg? Die Hirten haben uns von dieser Zone nichts erzählt, wahrscheinlich für sie selbstverständlich. Vielleicht ist dieser Bezug für uns heute wieder wichtiger und eher Zeitgeist, wir wissen es nicht. Es ist bald Mittag, und wir erreichen eine verlassene Alp, die Hütte ist zugesperrt, es sieht so aus, als ob sie nach einem Sommer einfach verlassen und dann nicht mehr in Betrieb genommen wurde. Wir lesen einen Hinweis, dass etwas geflickt werden sollte für das nächste Mal, dies ist vorbei! Wir sind am unteren Ende des Nassbodens, der seinem Namen mehr als gerecht wird. Es ist sehr schwammig, überall quillt Wasser. Wir müssen nun abzweigen und in Richtung Jostsee und Licke gehen. Den Säumerweg werden wir nun verlassen. Die Wegmarken sind ausgezeichnet, doch trotzdem müssen wir gut mit der Karte schauen. Wir entschliessen uns, bis zum Jostsee zu gehen und ihn anzuschauen, diesen kleinen Umweg werden wir noch machen. Wir treffen zuerst einen ganz kleinen See, den wir vorerst verwechseln. Claudio erforscht die Gegend, und weiter oben ist dann wirklich der Jostsee, wir nehmen spontan ein Bad auf 2400m Höhe. Nun sind wir bereit für den Übergang, es wird so langsam felsig, und von unten können wir uns die Durchgänge und den Aufstieg noch nicht vorstellen. Doch wenn man drin ist, geht es irgendwie weiter. Wie haben sie nur die Tiere angetrieben und über diese Passage gebracht? Es hatte sicher hier noch Schnee, denn weiter oben sehen wir auch jetzt noch welchen. Gut, sind die Wegmarken gut sichtbar, der Plan und die Erzählungen hätten uns hier nicht mehr weitergeholfen. Den Hirten muss der Weg zwischen den Felsen zur Licke so selbstverständlich gewesen sein, dass sie uns keine Hinweise dazu gegeben haben. Unser Zeitfaktor läuft und läuft, es ist schon 14.ooh, und wir sind noch nicht oben. Einen Tag, Philemon erzählte uns ja, wie er erschöpft ‘über den Bärg‘ ging. Endlich naht die Licke, und wir gehen noch über wenig Schnee, es ist betörend schön und sehr steinig. Der Abstieg beginnt, er ist sehr steil und abschüssig. Wie immer ist es schwieriger hinunter. Für Tiere ist es ja noch schwieriger und gefährlicher wegen des Abrutschens, vor allem für die Rinder. Nach und nach sehen wir auch Wanderinnen. Wir werden stiller, wegen des Abstiegs und auch wegen der Müdigkeit, die sich immer mehr anschleicht und breit macht. Wir sehen den Oberaar und mit etwas Phantasie auch das Glas von Philemon. Wir haben ihn in der Visur gut gesetzt, der Horizont zeigt genau auf die Triebtenseelicke und ist ja aus den Erzählungen von ihm sehr wichtig. Die Steine sind Quarz-durchsetzt, wir sehen auch Eingriffe von Strahlern oder Möchtegernstrahlern. Es verändert das Umfeld eigentlich auch sehr. Der Weg wird breiter und wir steigen zur ehemaligen Oberaaralpe ab.

Lieber Otto, lieber Philemon, lieber Gottlieb, lieber Pius,
Wir danken Euch für Eure Erzählungen, Eure Offenheit und die Mithilfe für die Arbeit 'Sömmerung 99'. Den Einblick in Eure Arbeit als Hirten auf der ehemaligen Oberaaralpe hat uns viel gelehrt und war für uns eine gute und grosse Herausforderung. Wir sind froh, Euch kennengelernt zu haben.

Im August 1999

Ursula Bohren Magoni
Claudio Magoni
Rosmarie Vögtli-Bossart

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